Victoria

Tag 5 sollte nun also der erste Tag sein, an dem wir komplett mit unserem Wohnmobil unterwegs sind. Am Vortag waren wir ja noch im Hotelbett aufgewacht und hatten den Camper erst anschließend von Fraserway übernommen. Trotzdem war es so gar nicht in unserer Planung, uns heute dem Wohnmobil zu widmen. Etwas ganz anderes stand auf dem Plan: Victoria und ein Ausflug zu den Walen.

Nachdem wir auf dem Campground ausgecheckt hatten, ging es erst mal nach Sidney, wo wir uns im Tim Horton’s einen Kaffee geholt haben. Nicht, um den ach so leckeren Kaffee dort zu trinken, sondern hauptsächlich, um an Kleingeld für die noch offene Gebühr für den Campground zu kommen. Hier waren schließlich noch 2,10 Dollar offen, die es zu bezahlen galt. Kleingeld erhalten, zurück zum Campground, Geld in den Umschlag, Gewissen erleichtert. Nebenbei war die Hin- und Herfahrerei auch ganz gut, um sich nach längerer Pause wieder an das Handling des Fahrzeugs zu gewöhnen. Mit 23 Fuß etwas länger als die kleinen Motorhomes, die wir sonst hatten und mit einem zumindest gefühlt höheren Schwerpunkt war es etwas ungewohnt zu fahren. Aber ich hatte mich schnell wieder daran gewöhnt und jetzt fühlt es sich schon sehr vertraut an. Die Beschleunigung ist aufgrund der großen Dieselmaschine grandios und auch die Bremsen haben keine Probleme damit, das große Gewicht zum Stehen zu bringen.

Victoria, Hafen und Essen

Truck Camper im Hafen von Victoria

Ich hatte von einem früheren Besuch in Victoria noch im Hinterkopf, dass man mit dem RV direkt im »Inner Harbor« parken konnte. Der Parkplatz war auch schnell gefunden – nachdem ich allerdings erst auf einem Platz nebenan landete, der für RVs verboten war. Auf dem Foto ist gut zu erkennen, was für einen tollen Stellplatz wir hier hatten. Und es war gar nicht mal teuer: 2,25 Dollar sollte es pro Stunde kosten, 13,20 Dollar für 24 Stunden. Da wir eh vorhatten, etliche Stunden zu bleiben, haben wir gleich den vollen Tag bezahlt.

Ein Zodiac für Whale-Watching-Touren

Hier im Inner Harbor findet man auch gleich mehrere Anbieter, die Whale-Watching-Touren durchführen. Für uns war klar, dass es wieder mit einem Zodiac sein sollte. Es fehlt zwar bei diesem Gefährt jeder Komfort und es kann auch schon mal ziemlich weh tun, der Spaß ist aber unvergleichlich. Und was noch viel wichtiger ist: Die Dinger sind einfach schnell. Die Reichweite während der üblicherweise dreistündigen Tour ist also höher und damit auch die Wahrscheinlichkeit, Wale zu Gesicht zu bekommen.

Für den geplanten Ausflug wurden wir dann beim Anbieter »Great Pacific Adventures« fündig. Der residiert im selben Gebäude, von dem aus wir auch bei unserem letzten Besuch unsere Tour gemacht hatten – damals mit Anreise per Wasserflugzeug. Es handelt sich aber jetzt um einen anderen Anbieter. Das Zodiac kam mir aber zumindest sehr bekannt vor. Da muss ich noch mal alte Fotos herauskramen und vergleichen. Die Tour hier sollte 99 Dollar pro Person kosten, bei gleicher Dauer wie beim Konkurrenten mit dem stärkeren Marketing, »Prince of Whales«. Dort lag der Preis aber auch gleich bei 115 Dollar. Die nächste Tour für uns ging um 14:00 Uhr los und das ließ uns noch reichlich Zeit, den Hafen zu erkunden und uns etwas zu Essen zu suchen.

Cod & Chips bei Red Fish Blue Fish im Hafen von Victoria

Nach einem kurzen Spaziergang in der Nähe des Hafens fiel uns eine Fischbude direkt am Pier auf: Red Fish Blue Fish. Es war noch vor 12 und trotzdem wurde die Bude schon von einer langen Schlange Hungriger belagert. Und auffällig dabei: Es handelte sich offensichtlich nicht nur um Touristen sondern augenscheinlich auch um Leute aus Victoria, Angestellte, die sich für die Mittagspause etwas holen wollten. Wenn also auch Einheimische sich gern in die lange Schlange stellen, muss es dort ja ganz gut sein. Wir haben uns also hinten angestellt und während der Wartezeit das Angebot studiert. Fish & Chips gab es mit mehreren Fischarten zur Auswahl (Lachs, Kabeljau und Heilbutt) und auch vom Grill gab es verschiedene Fische und auch sonst noch eine Auswahl an Meeresfrüchten. Und alle Teller, die von der Ausgabe weggetragen wurden, sahen hervorragend aus.

Für uns war es dann nach ca. einer Dreiviertelstunde Salmon & Chips und Cod & Chips. Beides unfassbar lecker. Die Wartezeit hat sich absolut gelohnt. Dazu kommt, dass wir gerade mal wieder super Wetter hatten und es uns direkt am Pier mit dem Essen gemütlich machen konnten. Wieviel die Sonne und der Blick auf den Hafen noch zum grandiosen Geschmack dazu getan haben, kann ich nicht sagen. Es war auf jeden Fall ein tolles Essen und ich kann nur jedem empfehlen, die Wartezeit an der Bude in Kauf zu nehmen und sich diesen Fisch zu gönnen. Ich hatte schon das ein oder andere Mal Fish & Chips in London gegessen, davon war aber keines so gut wie an dieser Bude.

Whale-Watching

Nach dem Essen war auch schon die Zeit gekommen, sich auf die Tour vorzubereiten. Kamera checken, dicken Pulli anziehen (Zodiacs sind schnell, hatte ich das schon erwähnt?), Mütze einpacken und auf zum Steg. Dort kam dann aber erst einmal der Schock: Weil außer uns nur noch eine Person die Tour gebucht hatte und man für drei nicht mit dem Zodiac rausfährt, sollten wir auf eine andere Tour umgebucht werden, die zeitgleich mit einem Walbeobachtungsboot der gemütlicheren Art stattfinden sollte. Man hatte wohl noch versucht, uns auf Zodiacs anderer Anbieter unterzubringen, die waren aber alle ausgebucht. Und wegen etwas stärkeren Winds mit entsprechendem Wellengang wäre die Zodiac-Tour auch nicht empfehlenswert. Hm. Ein wenig Marketing hätte den »Great Pacific Adventures« vermutlich ganz gut getan, wenn alle Wettbewerber ausgebucht sind und man selbst sein Boot trotz des günstigeren Preises nicht voll bekommt.

Alternativ sollten wir auf eine Tour am nächsten Morgen umbuchen können. Dann wollten wir aber schon längst nicht mehr in Victoria sein, das war also keine Alternative für uns. Und die gemütliche Tour war eigentlich auch keine Alternative. Mit Enttäuschung und Bestürzung im Gesicht und Tränchen in den Augen meiner Frau haben wir dann aber trotzdem akzeptiert. Sonst wären wir ja gar nicht mehr auf Tour gegangen.

Ob es nun die Tränchen waren oder ein anderer Auslöser – auf jeden Fall wurde uns Minuten später doch noch mitgeteilt, dass wir mit dem Zodiac fahren. Die Anzüge wurden verteilt und Mick, der Captain des Zodiacs stellte sich vor. Mick ist ein total sympathischer Kerl mit wettergegerbtem Gesicht, der uns in seiner verschmitzten Art gleich mal erklärte, dass drei Leute die ideale Besatzung für ein Boot mit zwölf Plätzen ist. Für ihn schien es auch das erste Mal zu sein, dass er mit so einer kleinen Gruppe ausläuft. Ich glaube, das ist jemand im Büro von »Great Pacific Adventures« ganz doll über seinen Schatten gesprungen und hat uns diese Tour entgegen der Firmenpolicy ermöglicht. Dafür gebührt ihr ganz großer Dank!

Die übliche Warnung: »These are the bumpy seats and those in the front are the very bumpy seats«. Wir haben natürlich die Plätze ganz vorn genommen und durften das auch gleich bereuen, als es außerhalb des Hafens mit hoher Geschwindigkeit und tatsächlich etwas höheren Wellen zur Sache ging. Wasser kann richtig weh tun! Aber wir wollten es ja nicht anders und hatten nicht nur die Warnung erhalten sondern auch die Erfahrung einer früheren Tour.

Obwohl in den Gewässern rund um Vancouver Island mehrere stationäre Pods von Orcas leben, also Wale, die diese Gegend im Gegensatz zu den »Transients«, also den durchziehenden Orcas nie verlassen, hat man doch keine Garantie, während einer Tour auch Orcas zu sehen. Die Anbieter in Victoria halten es so, dass sie sich untereinander abstimmen, wer in welche Richtung fährt und bei Sichtung Bescheid geben, um den anderen Booten zu ermöglichen, auch zu diesem Punkt zu kommen. Wir hatten schon gehört, dass es an diesem Tag bisher überhaupt nur einem Boot gelungen sein soll, Wale zu sehen – und das war ziemlich weit entfernt von Victoria. Trotzdem nahm unser Captain Mick die Herausforderung an und fuhr mit uns in dieses Gebiet. Die wenigen Boote, die zeitgleich mit uns ausgelaufen waren und auch unsere Richtung eingeschlagen hatten, verloren sich nach und nach und folgten uns nicht weiter. Zu weit von Victoria entfernt waren wir und kaum noch in der Reichweite der dreistündigen Tour.

Orca, halb aufgetaucht zum Atmen

Aber Mick hatte sich in den Kopf gesetzt, uns Orcas zu zeigen. Und so ging es an dem Punkt, an dem wir spätestens hätten umkehren müssen, noch weiter Richtung Norden. Wir waren schon am Fähranleger Swartz Bay vorbei und neben Saltspring Island, als tatsächlich die Rückenflossen von zwei Orcas auftauchten. Mick hatte sich kurz zuvor noch bei uns rückversichert, dass es keinen fixen Termin gäbe, zu dem man wieder im Hafen sein müsste, weil er die Hoffnung hatte, die Orcas genau hier zu finden. Und so ist es dann ja auch gekommen. Für ca. 20 Minuten konnten wir die beiden Orcas (Brüder, die wohl immer zu zweit unterwegs sind) beobachten, bevor wir dann wirklich wieder zurück mussten. Ein ganz großartiges Gefühl. Orcas sind in meinen Augen ganz besondere Tiere und ich finde es unglaublich toll, sie in freier Wildbahn beobachten zu können – mit respektvollem Abstand und unter fachkundiger Führung. Unserem Vollblut-Captain Mick war die Begeisterung ebenfalls anzusehen. So einen Job macht man auch nicht, wenn man keinen Spaß daran hat. Seinen Zwanziger Tipp hat er sich in jedem Fall redlich verdient.

Die Sichtung fand übrigens nicht weit von der Route der Fähre statt, auf der wir am Vortag noch gestanden hatten. Die Hoffnung, von der Fähre aus Wale zu sehen, ist also absolut berechtigt und nicht nur eine Marketing-Story des Fähranbieters.

Victoria Harbour Ferry

Nachdem wir die Wale verlassen hatten, ging es dann mit Vollgas wieder zurück nach Victoria. Vorbei an Swartz Bay, vorbei an unserem Campground der ersten Nacht, vorbei an Sidney und zum Schluss wieder über die rauere See kurz vor Victoria. Dort hielt Mick kurz an und bat uns, doch nun endlich auf Plätze weiter hinten zu wechseln, wo auch unsere einzige Mitfahrerin (aus London) saß. Da es mittlerweile ziemlich weh tat und wir uns schon ziemlich verkrampft festgehalten hatten, haben wir das Angebot gern angenommen und den Rest der Fahrt etwas komfortabler zurückgelegt. Im Hafen dann die üblichen Begegnungen mit den kleinen Harbor Ferries uns startenden und landenden Wasserflugzeugen.

Ach ja: Die Leute auf dem anderen Boot hatten keine Wale gesehen. Zu weit weg, zu langsam das Boot. Hätte der Anbieter seinem Herzen also keinen Stoß gegeben, hätten wir nur die schöne Küstenlandschaft von Vancouver Island gesehen, aber keine Orcas. Ganz vielen lieben Dank nochmals dafür.

Campground

Es war schon ziemlich spät und wir hatten noch gar keinen Plan für einen Campground für die folgende Nacht. Ursprünglich hatten wir mal geplant, einen Platz zu nehmen, der direkt am Hafen liegt – gegenüber der Innenstadt allerdings. Der Platz war aber tatsächlich nichts anderes als ein besserer Parkplatz und weit weg von dem, was wir uns für unsere Nächte vorstellen. Tolle Lage und gute Anbindung mit der Harbor Ferry, aber nichts für uns. Abgesehen davon sah der Campground auch bei der Vorbeifahrt voll belegt aus.

Wir haben uns dann bei der Tourist Information nach Campgrounds erkundigt und die Wahl fiel auf den Goldstream Provincial Park, der in ca. 20 Minuten Fahrt erreichbar sein sollte.

Sitzender Hirsch auf dem Campground

Der Goldstream PP hat tatsächlich einen sehr schön gelegenen Campground. Blitzsauber und toll ausgestattet hätte man hier auch gleich mehrere Nächte bleiben können. Auf unserer Site begrüßte uns auch gleich ein Hirsch (man verzeihe mir fehlende Detailkenntnisse), der auch längere Zeit nicht wich. Warum auch, wir sind ja verträglich.

Wir haben uns dann noch Steaks in die Pfanne gehauen (für Feuer und Grill waren wir zu müde) und haben den Tag zufrieden beendet.