Es ist nichts passiert. Mit diesen Worten einen Eintrag im Reisetagebuch zu beginnen, ist vermutlich nicht sehr geschickt. Aber es bezieht sich auch nicht auf die schönen Tage an den Nairn Falls, in Pemberton und am Alice Lake, sondern nur auf die hier abgebildete Bärenwarnung. Unseren letzten Bären haben wir beim Verlassen von Telegraph Cove gesehen und dabei sollte es für diese Reise leider auch bleiben. Wir hatten uns allerdings auch nicht gewünscht, Bären beim Hiken zu treffen. Das wäre zu viel Nähe und zu viel Abenteuer.
Die letzten Tage »on the road« haben wir auf dem bzw. am Sea to Sky Highway verbracht. Nach zwei Nächten in Whistler ging es den Highway 99 weiter ins Landesinnere bis kurz vor Pemberton zum Nairn Falls Provincial Park, in dem wir zwei Nächte verbracht haben. Und von dort den ganzen Weg wieder zurück bis zum Alice Lake Provincial Park nahe Squamish.
Der Morgen in Whistler
Nach einer ruhigen Nacht haben wir die supersauberen Waschräume im Riverside Resort genutzt, kurz gefrühstückt, dann auf der Site gedumpt und unseren treuen Truck Camper von Fraserway wieder abgekoppelt. Mit der Übung, die wir mittlerweile bei diesen Abläufen haben, geht das alles schnell und sauber und vor allem völlig entspannt.
Vom Campground runter sind wir dann noch nach Whistler gefahren. Ein paar Kleinigkeiten mussten wir für die letzten Tage noch im Supermarkt besorgen und anschließend haben wir den Camper noch auf einen der zahlreichen Parkplätze nahe des Zentrums (Whistler Village) abgestellt und einen Einkaufsbummel gemacht. Bei unserem ersten Besuch vor zwei Tagen war ja alles aufgrund der späten Uhrzeit schon geschlossen.
Leider verlief der Einkaufsbummel völlig ergebnislos. Ein paar Laufschuhe, die ich günstig schießen wollte, gab es nicht in meiner Größe und auch sonst hat uns nichts so richtig gefallen. Andenken an die Reise wollten wir eh erst später in Vancouver besorgen und so blieb es beim Abschicken von einigen Postkarten an die Lieben daheim und einem Kaffee im Starbucks.
Nairn Falls Provincial Park
Über den Highway 99 (Sea to Sky Highway) erreichten wir kurz vor Pemberton unser Tagesziel, den Nairn Falls Provincial Park. Dort wollten wir zwei Tage bleiben. Die nicht bereits reservierten Campsites direkt am Green River unterhalb der Wasserfälle waren leider nur für jeweils eine Nacht zu belegen und wir wollten es vermeiden, zwischendrin umzuziehen. Also haben wir uns im inneren Bereich des ziemlich großzügigen Campgrounds eine FCFS-Site (First Come, First Serve) genommen. Das hatte zudem den Vorteil, dass wir uns eine Site aussuchen konnten, die (erst mal) keinerlei Nachbarn hatte. Wir haben es ja gern ruhig und nach dem vollen Porteau Cove PP und dem Campground in Whistler wollten wir mal wieder möglichst allein sein und Ruhe und Natur genießen.
Sofort nach der Ankunft sind wir wegen einer etwas unsicheren Wetterlage den kurzen Trail zu den Nairn Falls gegangen. Fazit: Den Trail sollte man auf jeden Fall mitnehmen, wenn man den Highway 99 fährt und nicht gerade unter großem Zeitdruck steht.
Der Parkplatz zum Trail liegt an der Einfahrt zum Park/Campground und bietet reichlich Stellplätze. Vom Parkplatz aus ist der Trail ca. 3 km lang als Roundtrip und leicht zu gehen. Festes Schuhwerk sollte man aber in jedem Fall tragen und je nach Aufenthalt an den Wasserfällen mindestens eine Stunde einplanen.
Auf dem Weg zu den Nairn Falls geht man unterhalb der Wasserfälle parallel zum Green River, einige Meter oberhalb des Flusses. An wenigen Stellen kann man zum Fluss runterklettern. Während wir gerade dort unten waren, kam ein Speedboat vorbei, in dem sich ein Pärchen über den flachen und stark strömenden Fluss fahren ließ. Vermutlich eine ziemlich spektakuläre Tour, aber auf keinen Fall die Art, auf die wir gern die Natur Kanadas erleben.
Die Nairn Falls selbst haben uns sehr gut gefallen und wir haben etliche Fotos gemacht. Langzeitbelichtungen ohne Stativ sind unmöglich, wie mir in diesem Zusammenhang mal wieder aufgefallen ist. Das Foto von den Falls hat zwar eine etwas längere Belichtungszeit, das ist aber nicht annähernd das, was ich mir vorgestellt hatte. Für die nächste Kanadareise werde ich meine Fotoausrüstung wohl noch erweitern müssen.
Später am Tag gab es endlich mal wieder ein Campfire und eine anständige Zigarre dazu. Es könnte wohl schon eine Woche her sein, dass wir das letzte Feuer angezündet hatten. Mal fehlt die Gelegenheit (Telegraph Cove), mal war es verboten (Whistler) und mal hatten wir zu wenig Zeit für ein schönes Feuer und das anschließende Herunterbrennen. Auf dem Feuer lag nach kurzer Zeit ein herrliches Steak und im Feuer ein paar Kartoffeln in Alufolie als Beilage. An diesem lauen Abend konnte man lange draußen sitzen und die Natur und Ruhe genießen.
Genau diese Ruhe haben wir am nächsten Morgen genutzt, um uns mal wieder so richtig auszuschlafen. Nach dem späten Frühstück ging es dann über einen Abschnitt des Sea to Sky Trails nach Pemberton. Der Trail führt angenehm ausgebaut am One Mile Lake vorbei, der am Stadtrand von Pemberton liegt. Den See hatte ich mir schon auf meine To-do-Liste gesetzt, weil man dort Boards zum Stand Up Paddling mieten konnte, also dem Paddeln auf einem Surfboard stehend. Allerdings machte der See einen wenig einladenden und langweiligen Eindruck und er ist ziemlich klein. Meine Motivation, ausgerechnet hier diese für mich neue Sportart zu erlernen, war wie weggeblasen. Mein geistiges Auge hatte mich dabei immer in einer Bucht wie der Porteau Cove sicher auf dem Brett stehend in den Sonnenuntergang paddeln sehen. Vermutlich sollte ich mal an meiner Erwartungshaltung arbeiten. Genau dieser Anblick (von einem offensichtlich erfahrenen Paddler) hatte mich aber vor ein paar Jahren auf die Idee gebracht, das auch mal zu testen. Irgendwann wird sich die Chance schon noch ergeben.
Am See vorbei kommt man schließlich nach Pemberton. Das Städtchen kann man gesehen haben, muss man aber nicht. Wir hatten eine kleine Runde durch den Ort gemacht und unseren Bestand an Kaffee und »Off« aufgefüllt, weil die Mosquitos im Wald doch ziemlich aggressiv sind und wir noch einen Rest von dem Mittelchen mit nach Deutschland nehmen wollten, um die Wirksamkeit an den einheimischen Mücken zu testen.
Im »Mount Curry Coffee Company« am Stadtrand in der Nähe der Kreuzung mit dem Highway 99 gab es dann noch einen wirklich hervorragenden Kaffee und kostenloses Wi-Fi, sodass wir noch kurz checken konnten, wie es zu Hause steht. Über den schönen Trail mit seinen paar gut zu bewältigenden Höhenmetern ging es dann wieder zurück zum Campground. Es gibt für den Hin- als auch für den Rückweg noch ein paar andere, anspruchsvollere Trails, die an den Sea to Sky Trail angebunden sind. Wegen meiner angeschlagenen Wade haben wir aber darauf verzichtet. Die geschätzten sechs oder sieben Kilometer des Hikes reichten völlig aus, um mich spüren zu lassen, dass ich die Wade noch nicht wieder zu sehr belasten sollte.
Den Rest des Tages war faulenzen angesagt, Essen kochen und Tagebuch schreiben. Irgendwann fing es auch tatsächlich an zu regnen, Die abendliche Zigarre gab es dann unter der Markise des Campers.
Im Vergleich zum Vortag (Freitag) gab es viel mehr Gäste auf dem Campground. Größtenteils waren die aber sehr angenehm und ruhig. Die Ausnahme war eine Gruppe Jugendlicher schräg gegenüber, die das Verbot, Feuerholz im Park zu sammeln, nicht verstanden hatte. Die Jungs aus der Gruppe zogen marodierend durch den Wald und sammelten nicht nur heruntergefallenes Holz sondern knickten auch junge Bäume ab oder entwurzelten sie. Auf diesem Campground konnte man Feuerholz kaufen (acht Dollar pro Bündel in guter Qualität), aber auch selbst mitgebrachtes Holz verheizen. Es gab also gar keinen Grund, verbotenerweise Holz aus dem Ökosystem zu entnehmen.
Dieselbe Gruppe hatte es dann auch nicht so mit der Nachruhe und so kam bei uns fast ein bisschen Schadenfreude auf, als der anfangs nur schwache Regen später deutlich stärker wurde und der Gruppe wohl die Stimmung verhagelt hat. Gegen 12 wurde es dann endlich ruhig.
So sehr ich auch die Campgrounds in den Provincial Parks mag – am Wochenende, insbesondere Samstags, scheinen sie eine beliebte, weil günstige Partylocation für Jugendliche zu sein. Nichts gegen Partys – wir feiern selbst gern und ausgiebig. Aber dafür suchen wir uns keinen Ort inmitten der Natur und zwischen Ruhesuchenden, die eben diese Natur und die Zurückgezogenheit genießen wollen. Aber wir sollten uns nicht beschweren. Schließlich sind wir in Kanada die Gäste und sollten uns an die Gepflogenheiten des Landes anpassen. Und wenn diese Partys dazugehören, ist das eben so. Alles andere entschädigt uns dafür ja mehr als ausreichend in diesem wundervollen Land mit seiner grandiosen Natur und seinen freundlichen Menschen.
Alice Lake Provincial Park
Für diesen Tag haben wir vom Wetter nicht viel erwartet. Weder sah es am Morgen danach aus, noch hat die Wettervorhersage in dieser Richtung etwas Gutes gemeldet. Bis zu frühen Nachmittag sollte es immer wieder mal regnen und so war unserer Unternehmenslust zumindest in Bezug auf Hiken eine Grenze gesetzt. Nicht, dass man bei Regen nicht hiken kann – aber es gibt auch Schöneres. So sind wir nach dem Frühstück Richtung Küste aufgebrochen. Dort sollte es schon etwas früher wieder sonnig oder zumindest trocken werden. Und in der anderen Richtung waren es bis Lilloet noch über 100 Kilometer und wir hatten den Camper ja nur noch für zwei Tage.
Dann also lieber schon wieder zurück an die Küste oder zumindest in die Nähe, insbesondere, weil wir für die letzte Nacht eine Site direkt am Ufer im Porteau Cove Provincial Park reserviert hatten – unsere einzige Reservierung der ganzen Tour.
Zwischen Nairn Falls und Porteau Cove gibt es nur einen weiteren PP-Campground: Alice Lake. Auf der Strecke dorthin – an Whistler vorbei und den Highway 99 entlang bis Brackendale kurz vor Squamish hatten wir ständig wechselndes Wetter. Strahlender Sonnenschein mit dampfenden Straßen wechselte sich mit trübem Nieselregen und kräftigen Schauern ab. Die sicher sehenswerten Brandywhine Falls haben wir wegen des Wetters ausgelassen. Nicht so sehr der Regen als eher die zu erwartende schlechte Sicht hat uns abgeschreckt.
Am Alice Lake Provincial Park dann ein kurzer Schreckmoment: ein Schild »Campground full« am Gatehouse. Es herrschte auch allerdings gerade ziemlich großes Chaos dort. In der Ausfahrt stauten sich zig Motorhomes und Trailer, die auf die gegenüberliegende Dumpingstation wollten. Dort hat nur ein Fahrzeug zur Zeit die Möglichkeit, zu dumpen und zwei weitere können noch in Warteposition dahinter stehen. Wer später kommt, zieht also mit vollen Tanks weiter oder bleibt eben in der einspurigen Ausfahrt stehen. So wurde dann die Einfahrt zur Ausfahrt für die Abreisenden, die nicht (hier) dumpen wollten und wir sind erst mal auf einen Parkplatz ein paar Meter weiter gefahren. Zu Fuß ging es dann zum Gate und dort gab es auf Nachfrage auch die Auflösung: Das Schild hing dort noch vom Vortag (Samstag) und ist im Chaos schlicht vergessen worden. Wir konnten also auf einer Campsite einchecken, sogar mit Stromanschluss, und hatten den Platz für die Nacht damit gesichert.
Mit dieser Gewissheit sind wir aber erst mal nicht auf den Platz gefahren, um das dortige Abreisechaos nicht noch zu vergrößern. Stattdessen gab es dann ein gar nicht mal so leckeres Mittagessen in Brackendale, bzw. in dem der Stadt vorgelagerten Einkaufszentrum. Erst nach dieser Stärkung sind wir dann auf den Campground gefahren, um unsere Campsite für die Nacht in Besitz zu nehmen.
Von anderen Provincial-Park-Campgrounds sind wir ja schon großzügige Sites gewohnt, aber dieser Stellplatz toppt alles. Riesengroß, sodass locker noch ein zweiter RV drauf gepasst hätte, und durch Hanglage auch keine direkten Nachbarn. Die waren jeweils 10 Meter weiter rechts und links und drei Meter über bzw. unter uns.
Nachdem wir uns eingerichtet und im Park umgesehen hatten, haben wir uns entschlossen, den »Four Lakes Trail« zu gehen. Neben dem Alice Lake berührt dieser Trail noch drei weitere Seen im Park und das alles auf nur 6,5 Kilometern. Die Erfahrung der letzten Zeit zeigt, das ich es vorerst noch bei solchen kurzen Hikes belassen sollte. Nur herumzusitzen, konnten wir uns für diesen Tag aber nicht vorstellen, insbesondere, weil das Wetter nun doch danach aussah, als sollte es noch wenigstens ein paar Stunden trocken bleiben. Ein Hike von zwei Stunden passte da genau ins Bild.
Der Four Lakes Trail ist eine wirklich tolle Strecke, die durch den schönen, ursprünglichen Küstenregenwald führt und für Wanderer nur mäßig anspruchsvoll ist. Große Teile des Trails sind für Mountainbiker gesperrt, was das Hiken im Vergleich zu den Strecken rund im Whistler entspannter macht. Uns sind zwar auch dort nie rücksichtslose Mountainbiker begegnet, anders als in deutschen Wäldern, das ständige Aufpassen und Platzmachen stört aber schon ein wenig.
Beim Start war es schon nach fünf am Nachmittag und so waren wohl auch die meisten Sonntagsspaziergänger wieder weg. Wir hatten den Trail wenigstens fast für uns allein.
Gut anderthalb Stunden haben wir für die Strecke an den Seen entlang gebraucht – ein paar Fotopausen eingeschlossen. Es ist wirklich schön dort und jeder der Seen hatte seinen eigenen Charme.
Zurück auf dem Campground gab es dann Hotdogs auf dem Campfire und die verdiente Zigarre, bevor es dann später doch wieder ziemlich stark und ziemlich lange regnete. Draußen zu sitzen war dann nicht mehr schön, aber im Rückblick dürfen wir uns selbst über diesen teilweise verregneten Tag nicht beschweren. Um diese Jahreszeit hätte uns das den ganzen Urlaub über passieren können. Stattdessen hatten wir jetzt zwei Tage mit Regen, an denen wir aber jeweils noch eine kurze Wanderung trockenen Fußes machen konnten.